Vor dem Haus hält ein Holz-Mohr ein Tässchen Kaffee. Im Foyer haben pechschwarze Hände die edlen Wandleuchter fest im Griff. Das Hotel Mohren in Oberstdorf traut sich was. Darf man das überhaupt noch – so heißen?
Hoteldirektor André Brandt lächelt und ist von dieser Frage kein bisschen überrascht. Etwa einmal im Monat muss er darauf eine Antwort liefern – und führt seine Gäste dazu einfach in den Keller. „Wir sind über 500 Jahre alt“, sagt er, schließt ein Gatter auf und schreitet voran in ein uraltes Gewölbe, in dem heute edle Weinflaschen lagern und weiß eingedeckte Tische stehen. Die steinerne Decke lässt erahnen, wie hier früher die flüssigen Schätze gestapelt wurden.
Das alte Gasthaus darüber brannte ab. Wie durch ein Wunder blieb der Keller erhalten und ein Stück weiter hinten blieben drei Häuser stehen – alle verkohlt und schwarz wie die Nacht. „Die Leute im Dorf nannten sie die Mohrenhäuser. Vielleicht heißen wir deshalb so...“, mutmaßt André Brandt. So ganz genau wisse das leider niemand. Vielleicht sei der Name auch zu Ehren von einem der Heiligen Drei Könige entstanden. Auch in anderen Städten gibt es Hotels, die so heißen – und alle stehen in der Nähe einer Kirche.
Das Team im Mohren steht jedenfalls traditionsbewusst zu dem alten Namen – und zeigt sich seit Jahrzehnten höchst international, weltoffen und klassisch stilbewusst. Gänge zu den Suiten und Zimmern erinnern an ein geschichtsträchtiges Grand Hotel: Ornamente in den Teppichen, goldene Beschläge an den runden Treppenstufen, in manchen Zimmern sogar Kronleuchter.
Umso überraschter bin ich, als mir André Brandt erzählt, was in seinem ehrwürdigen und traditionsreichen Haus mitten in Oberstdorf erlaubt ist: „Bei uns dürfen sich die Gäste Frühstück einpacken.“ Wie, Frühstück einpacken? „Einfach einpacken. Mitnehmen. Zu Wanderungen und Ausflügen“, erklärt mir der Hoteldirektor, öffnet im Frühstückssaal ein Sideboard und holt Tüten hervor. Plus Servietten, Wasser und Apfelsaftschorle.
„Mich hat das immer gestört, dass sich meine Gäste extrem unwohl fühlen, wenn sie sich Brötchen streichen, heimlich in Servietten wickeln und unauffällig in ihrer Tasche verschwinden lassen.“ Auch Mitarbeiter wären sehr unsicher, wenn sie das unerlaubte Verhalten beobachten. „Also haben wir es einfach gestattet.“
Die Resonanz darauf ist seit Jahren extrem positiv: „So was haben viele noch nie erlebt, höre ich immer wieder.“ Und damit nicht genug: Wer sein Frühstücksei, das Wurst- oder Käsebrot und das frische Obst und Gemüse gerne auf eine Wanderung mitnehmen möchte, den versorgt das Hotelteam zusätzlich mit Rucksack, Wanderstöcken, Regencape und Picknickdecke.
Ungewöhnlicher Service in einem Haus mit vier Sternen – Mohr hin oder her.