Auf dem Weg durch den gläsernen Gang bin ich kritisch: Lilien-Lounge. Eine Bar, die wie eine Blume heißt. Was kann hinter so einem offensichtlichen Namen nur Un…
Auf dem Weg durch den gläsernen Gang bin ich kritisch:
Lilien-Lounge. Eine Bar, die wie eine Blume heißt. Was kann hinter so einem offensichtlichen Namen nur Unerwartetes stecken? Blumen in Vasen? „Lilien-Lounge, da denken viele, unsere Bar sei einfach nach einer Blume benannt – nichts Besonderes“, sagt Hotelinhaber Florian Lingenfelder. Ich fühle mich ertappt. „Aber das ist nicht alles.“
Vorbei am lackschwarzen Flügel nehmen wir an einem Tisch in dem quadratischen Gebäude mit den vielen Fensterfronten Platz. Während Florian Lingenfelder die Tischdeko ordnet, erzählt er mir von einer langen und akribischen Recherche.
„Erstens taucht die Lilie in europäischen Königshäusern häufig im Wappen auf.“ Sowas habe ich vermutet. „Zweitens war die Lieblingscousine von König Ludwig II. Kaiserin Elisabeth von Österreich, also Sissi.“ Oha. Bildungslücke. „Als sie ihren Besuch in der alten Heimat München ankündigte, ließ Ludwig kurzerhand den Bahnhof in München mit weißen Lilien schmücken. Als Zeichen der Hochachtung.“ Ach wie schön! Das nenn ich Begrüßung. Das erklärt wohl auch das riesige, hinterleuchtete Schwarz-Weiß-Bild von Romy Schneider in der angrenzenden Showküche. Dort lugt die Schauspielerin, die als Sissi bekannt wurde, jung, erfolgreich und modern zwischen Schöpfkellen und Wendezangen hindurch. In dem schwarz-weiß gekachelten stylischen Kochbereich, den nur eine große Scheibe von der Bar trennt, findet in kleinem Rahmen das sogenannte „Küchengeflüster“ statt. In einem exklusiven Kreis schauen Gäste dem Koch hier direkt in den Topf – und lernen, wie Allgäuer Spezialitäten richtig zubereitet werden.
Wer nicht so gerne am Herd steht, kann das Treiben von großen Rundsesseln an Tischen mit integrierten Brettspielen beobachten. Mit all diesen Ideen will Florian Lingenfelder vor allem eins: seine Gäste zum Gespräch anregen. „Ich will, dass sich die Leute gut unterhalten“, gesteht er, der es gar nicht gerne sieht, wenn Paare den ganzen Abend nur auf ihre Handys schauen. Deshalb schafft er Gesprächsstoff: Was denkt die junge Romy Schneider auf dem Foto? Warum wechselt im ganzen Haus an vielen Stellen die Beleuchtung so oft die Farbe? Wie kommt die Sonne in die Reihe der adeligen Wappen? „Es sind Kleinigkeiten. Über unsere Hauspostille zum Frühstück geben wir jeden Tag kleine Hinweise. So kommen die Leute ins Gespräch – untereinander oder mit unseren Mitarbeitern.“
Wer noch mehr wissen will, meldet sich zur Hausführung an. „Wir zeigen gerne, was hinter den Kulissen steckt. Das ist gewaltig“, sagt Florian Lingenfelder, der keine Angst davor hat, sich in die Karten gucken zu lassen. Lagerräume, Kellergeschosse, Büro: „Mir macht es nichts aus, dass meine Gäste sehen, wie hier gearbeitet wird. Im Gegenteil – oft steigt dadurch die Wertschätzung für das, was wir hier täglich bieten.“
Auf dem Rückweg zur Rezeption sehe ich plötzlich die Lilie an der Wand. Die Lilien in den Vasen. Die Lilienblüten im roten Teppich. Es ist, als hätten die vielen kleinen Geschichten rund um das Hotel König Ludwig meine Sinne geschärft. Auf eine angenehme Art bin ich plötzlich ein Teil des Hauses. „Tschüss, Frau Böck. Bis bald!“, sagt die freundliche Frau an der Rezeption. Na sowas: Sieht man mir an, dass ich wiederkommen will?